Dienstag, 13. August 2013

Ein echter wahrer Nerd


Das ist ein sehr schwieriges und weitreichendes Thema - so weitreichend und schwierig wie die Definition des Terminus Nerd selbst. Trotzdem möchte ich den Versuch wagen, den Nerdbegriff zumindest für mich selbst zu erklären. Auf die Idee haben mich vor allem einige aktuelle subjektive Wahrnehmungen gebracht: Damals liefen die 14-jährigen in silbernen Fubu-Jeans herum, heute sind es alte Holzfäller Hemden und große Hornbrillen. Seit dem Kinoerfolg der ,,Avengers" trägt der moderne Mensch Comicshirts und gibt der Marvel-Facebook-Page ein ,,Like"; Seit dem TV-Erfolg von ,,The Big Bang Theory" dekoriert man die Küche mit Space Invaders-Aufklebern und interessiert sich plötzlich brennend für das Periodensystem der Elemente - trägt es gar auf seinem T-Shirt. Es lässt sich wohl diese eine Tatsache nicht verneinen: Der Nerd ist in Mode. Nichtsdestotrotz mag natürlich auch ich – nein, vergöttere ich ,,The Big Bang Theory" und ,,The Avengers"; ich stehe auf Space Invaders- Aufkleber und liebe Shirts, auf denen meine Helden gedruckt sind... Nein nein, ich will hier natürlich keinen Krieg zwischen dem meinerseits verhassten Mainstreambegriff und dem Verständnis von Individualität anfechten. Nagut, vielleicht spielt das am Ende doch eine gewisse Rolle, da zunächst danach gefragt werden muss, wie ein Nerd in der breiten Masse wahrgenommen wird.


Ein Nerd ist ein Sonderling, ein Streber, ein Langweiler, ein Fachidiot oder schlichtweg ein Außenseiter – Das sagt die übliche Definition, wie sie jeder bei Wikipedia nachlesen kann. In den Medien ist er der pickelige Brillenträger mit fettigem Haar. Die Betonung liegt ganz klar auf ,,er" – die weibliche Nerdspezies taucht in der Film und Fernsehwelt nur selten auf. Und der eigentliche Nerd? Wie sieht er sich selbst? Wie sehe ich mich? Wie seht ihr euch ? An dieser Stelle setze ich mal eine Zäsur und hole für einen Beantwortungsversuch etwas weiter aus:


Im 21. Jahrhundert können wir uns an Sendungen wie ,,das Model und der Freak", oder zuletzt ,,Beauty and the Nerd" erfreuen, die gekonnt ihre dicken Klischeekeulen schwingen und der breiten Masse das Bild eines typischen Nerds auf den Tisch hauen. Das Problem liegt hier ganz klar bei dem Wort ,,typisch": Die typische schöne und im Leben erfolgreiche Blonde greift dem typischen bärtigen Sonderling kräftig unter die langen Achselhaare und verwandelt ihn in Prinz Yuppie Goldberg. Ein Tellerwäscher wird zum Millionär. Ein Drama mit Happy End. Das will heutzutage doch jeder sehen, oder? Ja schon gut, das Problem ist offensichtlich und ich will es mal so eloquent wie möglich ausdrücken: dem Publikum wird medial deftig in den Kopf geschissen.



Die beliebte Sitcom rund um die vier liebenswürdigen Physiker tut es auch: Sheldon Cooper, Wolowitz und Co. bedienen die üblichen Klischees eines Nerds: Sie stehen auf Videospiele und Comics, sind modisch nicht ganz auf der Höhe und üben als Physiker einen vom Großteil der Gesellschaft eher belächelten Beruf aus. Und ja, das ganze ist dabei verdammt charmant und urkomisch. Der großartige Jim Parsons gewinnt 2009 den Emmy. Nahezu Jeder kennt und liebt seine Figur Sheldon Cooper. Nerds sind nicht mehr die belächelten Außenseiter von Früher, sie sind cool, witzig und voll im Trend. Ihr seht wo das Problem ist: Was ist das denn für ein Nerd, den plötzlich jeder mimen möchte? Denn ich selbst frage mich – und damit komme ich wieder zur Ausgangsfrage zurück: Bin ich wirklich diejenige, die als selbstbetitelter Nerd bei den Gags von ,,TBBT" auch über sich selbst lacht? Genau wie das übrige Publikum, lache ich über den von der Sendung präsentierten typischen Streber, Antisozialisten und Fachidioten. Also nein. Ich kann gar nicht über mich selbst lachen, weil dieses medial produzierte Nerdverständnis einfach nicht real ist. Was ist denn nun ein Nerd, wenn dieser eine klischeeüberladene Sonderling aus den Medien komplett surreal ist ?

Nun, ich glaube das Wort, welches die Prämisse am besten zum Ausdruck bringt ist ,,Leidenschaft". Meine Leidenschaft (und natürlich die der meisten hier auch) sind vorderrangig Games. In meinem Zimmer hängt ein großes Poster von Ezio Auditore, auf meinen Regal steht eine kleine Figur von Vivi aus FF9 und dicht daneben befinden sich Bücher von Metal Gear Solid, ... Ich bleibe bis 4 Uhr Nachts auf, weil mich ein Heavy Rain einfach nicht los lässt; ich diskutiere furchtbar gern mit meinen Freunden über die verworrene Geschichte von Metal Gear; wenn ich ein tolles Spiel beendet habe, lese ich mich durch Artikel und Foren, weil ich noch mehr Informationen rund um das Game haben möchte; beim joggen höre ich die Metal/ Rock Remixes diverser Final Fantasy Soundtracks und wenn mich mein Professor in der Uni danach fragt, was ein ,,Paradigma" ist, denke ich als erstes an ,,Paradigm Shift" aus FF13.

Ihr wisst worauf ich hinaus will und ihr erkennt euch sicherlich wieder. Es ist dieser Drang alles mögliche aus seiner Vorliebe heraus zu saugen, sich nie zufrieden zu geben, nie genug zu bekommen, Ein einfaches Interesse wird durch Hingebung, Aufwand und Enthusiasmus zu einer Leidenschaft. Während des Schreibens merke ich, wie ich nahezu in eine Art Trance verfalle: So viele Worte bringen das zu Ausdruck, was es heißt ein Nerd zu sein: Neugier, Kreativität, Energie, Wissensdrang, ...


Wir brauchen keine dicken Brillen, Hochwasserhosen und Chemische Formeln auf dem Shirt, um cool und trendy zu sein. Wollen wir ja auch gar nicht. Das Nerdsein bedarf keiner Mimikry und das Nerdsein ist gewiss kein schnelllebiger Modetrend. Eine Leidenschaft wechselt man ja schließlich nicht jede Woche, oder? Jetzt muss ich mir erlauben, die Debatte zu überspitzen: Entweder man ist ein Nerd (und zwar schon immer!), oder eben nicht (und wird es dann auch nie sein!); Die mit den dicken Brillen schwimmen irgendwann im Strom weiter zu nächsten Trendinsel und wir bleiben auf unserem verlassenen Eiland zurück. Und das ist auch gut so.


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