Samstag, 15. März 2014

Review: Brothers: A Tale of Two Sons - Warum weniger manchmal mehr ist

(Dieser Text kommt ohne fette Spoils aus)

 Brothers ist ein kleines Indie-Game, das zur Zeit kostenlos bei  PS+ erhältlich ist. Ich habe mir die die Geschichte zweier Söhne zu Gemüte geführt und bin froh, dass ich mir diese kleine Auszeit von der üblichen Spielerei (z.Z. wieder Dark Souls und Rayman Legends) genommen habe. Zugegeben, dieser Text ist überflüssig. Zu diesem Spiel sollte nichts gesagt werden. An dieses Spiel sollte man völlig unvermittelt herantreten, sich einfach hineinziehen lassen in eine Fantasywelt, deren Atmosphäre im Zusammenspiel von Vogelzwitschern und sanften Klängen der Melancholie in einem traurigen aber gleichzeitig so wunderschönen und fabelhaften Glanz erscheint.



Ein außergewöhnliches, im Auge des großen Entwicklers weniger massentaugliches Spielkonzept macht ein Indie-Game unabhängig. Ein bisschen verschroben, ein bisschen Underground, eben ein bisschen Indie – so auch Brothers:

Der Spieler übernimmt die Rollen von zwei Hauptfiguren - und das zur gleichen Zeit. Der größere Bruder wird mit dem linken, der kleine mit dem rechten Analogstick gesteuert. Das ist zunächst gewöhnungsbedürftig und gewiss abhängig von der individuellen Begabung in der Kunst des Multitasking, respektive abhängig vom Talent, rechte und linke Gehirnhälfte im Kumpelspiel zusammenarbeiten zu lassen, damit Hand und Auge sich nicht vor Verwirrung selbst verletzen.

Funktioniert das Wechselspiel, vertragen sich nicht nur die Körperteile des Spielers, sondern es wächst auch der Zusammenhalt der beiden Brüder im Spiel: Je weiter man im Spiel voranschreitet und je besser man mit dem Gameplay vertraut ist, desto stärker wird auch das Gefühl, man habe es hier mit einem eingespielten Team zu tun.

Emotionale Bindung und das Gefühl von Teamwork wird allein durch das Gameplay erzeugt.


Dieser Text ist immer noch überflüssig, aber doch brennt es mir auf der Zunge. Ich möchte dieses Spiel nicht unkommentiert lassen, ich möchte zeigen, dass mich die Geschichte zweier Brüder um eine Erfahrung bereichert hat, die ich bisher in keinem anderen Videospiel erlebt habe. Das ganz ohne Pathos, ohne große Worte und ohne die Paukenschläge eines riesigen Orchesters.




Ein Vergleich zwischen westlichen und fern-östlichen Mentalitäten mag vielleicht riskant sein, doch möchte ich ihn wagen, um nochmals zu unterstreichen, warum ich Brothers so schätze: Als Beispiel dient meine Hassliebe Final Fantasy 13. Dort wird nur so mit Schmalz, Inbrunst, Glut, Feuer und anderen brennend bohrenden Substanzen um sich geschmissen. Intentionen und Gefühle der Charaktere werden dem Spieler mitten ins Gesicht geschleudert. Dicke Hammerschläge der Offensichtlichkeit unterdrücken jegliche Art von Subtilität und Raffinesse. Was der Charakter denkt, was er fühlt, wird in bester Seifenoper-Manier sofort in eindeutige Worte gefasst und in die Welt posaunt:


"We have to keep our dreams alive. Something to look forward to. "

I know! It's all my fault! But I don't know how to fix it! Where do you start? What do you say? All I can do is go forward. Keep fighting and surviving [...]"

"And that words were useless, and a lot of other things I shouldn't have said."


Klingt wie aus einem Teenie-Popsong. Mimik, Gestik oder der Glanz in den Augen? Ein Wink mit dem Zaunpfahl? Ironie und Sarkasmus? Spielt alles keine Rolle. Der Spieler kann sich nicht wehren. Er kann nicht ausweichen. Er kann diesen großen Emotions-Kloß nur herunterschlucken und hoffen, dass er nicht wieder in einem großen Schwall Tränen (oder Kotze) herausbricht.

Die Geschichte von Brothers ist simpel: Zwei Brüder müssen ihr Heimatdorf verlassen, um Medizin für den erkrankten Vater zu besorgen. Keine diabolische Übermacht droht damit, die Welt ins Chaos zu stürzen. Keine große Liebesgeschichte übertüncht ein verheerendes Untergangsszenario. Kein schwächlicher Junge gedeiht zu einem strahlenden Helden (oder? ;)).

Die Geschichte von Brothers wird in erster Linie durch Bilder, Musik und der Sprache vorangetragen. Diese Technik des Storytellings erscheint, so ausgedrückt, alltäglich und ordinär, macht aber doch entscheidende Dinge anders. Das Storytelling bewegt sich auf einer neuartigen Ebene, fernab von den vertrauten Gewohnheiten eines Blockbuster-Games. Denn die Sprache, die in Brothers gesprochen wird, ist eine fremde Sprache. Es handelt sich um eine völlig frei erfundene Fantasiesprache, die auf merkwürdige und nahezu unerklärliche Weise trotzdem verständlich ist.


"Daaa, badaa Nahi!"

"achso, ja der kleine Bruder kommt sogleich!"


Nur durch das Zusammenspiel von Sprache, den Bilder und der Musik konnte ich die Story erahnen, aber nicht vollständig erschließen. Wie sind die Menschen in den Bergen erfroren? Warum haben dutzende Riesen in dem Tal eine verheerende Schlacht um Leben und Tod ausgetragen? Nichts wird explizit ausgedrückt. Der Spieler wird lediglich inspiriert. Ihm werden Impulse gegeben, den Rest der Geschichte und die Zusammenhänge dieser Welt in einen für sich kohärenten Zusammenhang zu bringen.



Solche großen Worte für ein kleines Spiel, das mich ungefähr 3 Stunden beschäftigt hat. Doch diese 3 Stunden gehen so einfach und unkompliziert von der Hand. Dieses Spiel lässt den Spieler durch 6 Kapitel fließen, ohne dass ihm Hindernisse, wie Frustration und Ratlosigkeit, das Vorantreiben erschweren. Das Zusammenspiel der beiden Brüder ließ in keiner Minute das Gefühl von Langeweile in mir aufkommen. Viel mehr noch, solch fließende Abwechslung wie sie Brothers bietet, ist eine Qualität, die ich in meiner langen Videospiel-Karriere nur selten erlebt habe! In jedem Kapitel erwarten den Spieler neue Aufgaben und eröffnen neue Facetten der Spielwelt, die seinen Horizont erweitern und zum Schluss ein befriedigendes, schlüssiges Ganzes ergeben.

Ich möchte so viel dazu sagen aber gleichzeitig kann ich das nicht. Mein Kopf sprudelt nur so von Eingebungen, Gedanken und Emotionen. Dieses Spiel erzeugt einen immensen Nachdruck, der aber nicht so ganz aus meinem Kopf entweichen möchte. Das, was ich in Brothers erlebt habe, war meine ganz eigene Sicht der Dinge. Keine Macht von Außen hat mir diese Sicht auferzwungen. Ich habe mit Impuls und Inspiration meine eigene Geschichte geschrieben. Und doch kann ich mein Spielerlebnis in diesen kleinen Worten zusammenfassen: So simpel, so schön!

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