Donnerstag, 11. Juli 2013

Spiele aus dem Laden




Mein einssechzig hohes Ich hockt mit krummen Rücken vor dem PC. „ich könnte mir ja mal wieder ein Spiel gönnen. Ja das tue ich, heute kaufe ich mir ein Spiel“. Der Weg zum nächsten Elektronikgeschäft ist weit und auf das Wetter kann man sich sowieso nicht verlassen. Aber ist ja auch egal, denn zum Glück gibt es in den weiten Welten des Internets Abhilfe für faule Couchkartoffeln. Online-Handel heißt die Zauberformel. Praktisch, bequem, und komfortabel. Alles was ich bewegen muss sind meine Finger. Der größte Aufwand ist es, die Preise und Angebote der verschiedenen Händler zu vergleichen. Mit vier Klicks ist das Spiel – an diesem Tage Dragon's Dogma: Dark Arisen - bestellt und bereit, von fleißigen Händen in Pappe gehüllt zu werden. Das erwartete Paket kommt sicherlich schon Morgen an. Das beste ist: Ich habe nicht einmal das Gefühl für meine Belohnung irgendeinen Finger krumm gemacht zu haben (nun, wörtlich genommen habe ich es ja doch). Das Geld, was ich ausgebe muss ich nicht sehen und deshalb tut es mir auch nicht Leid, wenn ich es weggeben muss. Die Menschen, die das Spiel verkaufen und verpacken sind irgendwo anders – Sie existieren für mich in einer Parallelwelt, weit weit entfernt. Diese Menschen könnten auch Cyborgs oder andere Maschinen sein. Niemand steht sich Angesicht zu Angesicht gegenüber. Ich muss mich um nichts und niemanden kümmern. Alles ist vollkommen anonym und ohne Image.

Mein einsdreißg hohes Ich hockte zappelig vor dem Pult im Klassenzimmer. „heute ist DER Tag, endlich habe ich genug Geld zusammen gespart, heute kaufe ich mir ein Spiel !“. Als die melodische Schulklingel zum letzten mal am Tag ertönte, warf ich meinen Ranzen über die Schulter, nahm die kurzen Beine in die Hand und rannte auf schnellsten Wege zum größten Einkaufszentrum der Stadt. Mit jedem Meter, den ich zurücklegte, stieg die Aufregung. Schließlich stand ich vor meinem Spielzeugladen, aus dem ich einst Spiderman, Batman und diverse Schlümpfe mit nach Hause nahm. Die automatischen Türen des Geschäfts hätten an diesem Tage nicht langsamer aufgehen können. Der Bauch kribbelte, das Herz flatterte fröhlich. Erwartungsvoll stand ich nun vor dem spärlich bestückten Spieleregal. Auf der linken Seite waren die teuren PS-One Spiele zu finden, bei deren Anblick ich mich immer fragte, ob ich denn jemals in den Genuss dieser mysteriösen grauen Konsole kommen würde... Mein Augenmerk richtete sich also auf die rechte Seite, wo die GameBoy -und GB-Color-Spiele aufgereiht waren. „Pokemon Rot/ Blau? habe ich schon. Zelda kenne ich auch und dieses Turok kaufe ich mir bestimmt nicht noch einmal! Aber dieser Typ mit dem Schnurrbart: M-A-R-I-O. Ach der ist das, von dem sprechen immer alle. Auf der Verpackung ist ein Hai mit Boxhandschuhen abgebildet? Jetzt bin ich vollkommen überzeugt.“

Super Mario Land 2 sollte es also sein. Ich schnappte die Plastikhülle, in der das Game eingeschlossen war und begab mich stolz zur Kassiererin. ,,Eh die das Ding auffummelt! Warum dauert heute alles so lange?“


Der Gang nach Hause nach dem Kauf eines neuen Videospiels war eine heroische Heimreise. Der Gang nach Hause war ein Triumphzug, bei dem ich meinen schwer erbeuteten Schatz am liebsten gen Himmel gestreckt hätte, um mit der ganzen Welt (oder zumindest mit ganz Schönebeck) mein Glück teilen zu können. In meinem Kopf malte ich mir aus, wie das Spiel wohl sein würde: „Welche Abenteuer werde ich wohl erleben? Hoffentlich ist es nicht auf englisch und hoffentlich ist es nicht so schwer.“ Ich konnte kaum es abwarten, meinen Freunden von meiner neuen Errungenschaft zu berichten. „Wie werden sie es wohl finden? Und was werden meine Eltern wieder sagen?“. Meter um Meter. Minute um Minute. Ungeduldig tappelte ich über die Straßen - stets darauf bedacht, die bunte Plastiktüte mit dem wertvollen Inhalt fest unter den Arm zu halten...

 Es gab doch damals nichts schöneres, als das mühsam angehäufte Taschengeld im Spielzeug -oder Elektronikladen um die Ecke zu verprassen, oder? Man machte sich keine Vorwürfe und scherte sich nicht um das verlorene Geld - naja, ein wenig doch, aber man hatte es gegen etwas Gutes eingetauscht. Und das bei vollem Bewusstsein, bei vollkommener Anwesenheit und mit all seiner Aufmerksamkeit.


Wenn ich mir heute ein Spiel direkt aus dem Laden kaufe (was leider viel zu selten vorkommt), merke ich, dass sich im Vergleich zu früher eigentlich nichts geändert hat. Diese infantile, unbeschwerte Freude ist immer noch da. Die Aufregung und die Ungeduld - das Spiel fühlt sich einfach wirklicher, realer an. Zuhause angekommen, macht das Auspacken umso mehr Spaß. Das Abreißen der Folie? Ein Genuss. Der Geruch der Verpackung? Eine Essenz, genüsslicher als jeder Frühlingsduft. Und das alles habe ich selber aus eigener Arbeit beschafft. Ich sollte mir jedes mal diesen Ansporn nehmen, wenn ich ein neues Game mein Eigen nennen möchte. Ich sollte dem Geschäft, welches ich mit meinen Füßen betrete und welches ich mit vollen Händen wieder verlasse, eine Chance geben und meiner Faulheit den Rücken kehren.


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