Freitag, 2. August 2013

Wenn das Universum streikt


Endlich geschafft! Der Uni-Stress ist Geschichte. Mein Wissen, welches ich in vier einsamen Keller-Tagen mühevoll aufbereitet hatte, brachte ich in vier weiteren, nicht mehr so einsamen, aber dafür noch stressigeren Tagen zu Papier. Nun habe ich Semesterferien und endlich Zeit für die angenehmen Dinge des Lebens. All meine Lieblingsbeschäftigungen, die bisweilen den Kürzeren ziehen mussten, sind nun bereit einen dauerhaften Platz in meiner zukünftigen Tages(ver)planung zu ergattern. Neben Sport und der Belustigung geliebter Personen fällt natürlich auch die ein oder andere etwas längere Zock-Session. Games, die nur darauf warten endlich über den Bildschirm flimmern zu können, haben sich stapelweise zu einem unübersichtlichen Riesendurcheinander zusammengetan, das bei weiterer Ignoranz mit einer Implosion meines Gamer-Herzens droht.

32°C betrug die Außentemperatur vor einigen Tagen in Braunschweig. Rausgehen war bei diesen Umständen undenkbar. Ein guter Zeitpunkt also, um mein nerdiges Ich vollständig zu Hause einzubunkern: Eine gepflegte Runde Dark Souls auf der PS3 sollte sich am diesen Tage als weitaus angenehmer erweisen. Nach 1 ½ Stunden in Lordran, riss mich ein fürchterliches Geräusch aus jener Spielwelt heraus:

„BZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZ“

„Woran bauen sie denn unten diesmal ?!“. Nach einigen Sekunden bemerkte ich aber schnell, dass das vermeidliche Bauarbeitsdröhnen aus meinem Zimmer kam, genauer gesagt, vom Lüfter meiner Playstation verursacht wurde. Panisch wanderte mein Zeigefinger gen Ausschalter, während meine Gedanken rund um das böse Phänomen ,,Yellow Light of Death“ kreisten. ,,Wenn bei Hitze die Konsole streikt, spiele ich eben am PC weiter, kein Problem“. Also schmiss ich Bastion an und legte los. Dumm nur, dass mein Notebook, welches sowieso schon den ganzen Tag vor sich hin schnurrte, unweigerlich damit anfing, den Raum bei der endgültigen Umwandlung in ein schwüles Ferien-Resort tatkräftig zu unterstützen. Also bewegte ich den Pfeil mit meinem schweißigen Mousepad vorsichtshalber auf ,,Herunterfahren“.

„Konsole down, Computer down – was soll ich nur tun? Etwa ein Buch lesen und das im Sommer? Den TV anmachen? Kommt überhaupt nicht in Frage bei diesen Vormittagssendungen. Einen Film anschauen? Geht ja nicht, da meine PS3 auch als Blue-Ray-Player fungiert...“ In mir breitete sich eine kleine aber feine Angst vor der gefürchteten Langeweile aus. Ich stand wie ein Pfeiler mitten im Raum, drehte mich im Kreis, lag auf dem Boden, stand wieder auf, schaute aus dem Fenster, schmiss mich aufs Bett, stand wieder auf, … Ich war wie ein Radio, was äußerlich ziemlich frisch daher kommt, aber keine Sender mehr empfangen kann. Ich war wie ein Roboter, dem keine Befehle von seinem Erschaffer einprogrammiert werden. Kein Input = völlig disfunktional.

Ganz mir selbst überlassen, öffnete mir diese kleine Katastrophe des Alltags die Augen: Wenn das Universum streikt und technische Errungenschaften an die Grenzen ihrer Funktionalität befördert werden scheint es dem modernen Menschen des 21. Jahrhunderts dabei relativ ähnlich zu ergehen. Dieser moderne Mensch braucht mediale Unterhaltung genau so wie die Zahnbürste ihre Paste braucht. Permanente Informationszufuhr und Unterhaltung durch Medien sind eben nicht mehr wegzudenken. Die verbrauchte Phrase „Fluch und Segen zugleich“ passt hier wie die Faust auf's Auge: Wenn ich morgens die Augen öffne, schaue ich nicht etwa zuerst aus dem Fenster, sondern auf das Display meines Smartphones; Bevor ich meine Frisur im Spiegel richte, schaue ich lieber bei Spiegel Online vorbei; Wenn ich mich einsam fühle, schalte ich den TV ein, damit dieser mir im Hintergrund fröhlich Stimmen und Musik vordudelt. Was nun passiert, wenn diese Medienbeschallung ausfällt, wenn die absolute Katastrophe der „ersten Welt“ eintrifft, habe ich ja bereits illustriert.

Das schlimme ist: als medien-affiner Mensch kann man nichts dagegen tun. Nichts. Naja, man könnte in den Wald auswandern und sich völlig abschotten. Aber abschotten? Das will ich ja nun gerade nicht. ,,Mach doch Sport, geh schwimmen, fahre Rad, geh doch mit deinen Freunden raus in den Garten und spiele!“. Ja ja, hab' ich gestern schon gemacht. Aber mal ehrlich: Wir brauchen diese ganzen Unterhaltungs-Maschinerien. Es herrscht eine Abhängigkeit - und zwar eine wechselseitige. Rückschritte, ausgenommen derer, die letztendlich in völliger Isolation enden, sind nicht möglich. Also? Vorab eine Entschuldigungsbitte für eine letzte Floskel: Wir müssen das Beste draus machen.


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