Sonntag, 8. September 2013

Ich bin zu alt für Pokemon


Wir müssen nicht mehr lange schlafen, essen und auf Toilette gehen, bis endlich Pokemon X/Y erscheint. Genauer gesagt sind es 33 graue Tage, die es irgendwie zu überstehen gilt, bis uns schrullige Monster aus Japan wiedermal in einen bunten Sammelwahn verfallen lassen. Auch ich bin wieder am Haken - und da hatte ich mir doch tatsächlich eingeredet, ich sei zu alt für den Scheiß, nachdem ich ernüchtert feststellte, dass die Pokemon in den Editionen Schwarz/Weiß sich sowohl bei der Namensgebung, als auch bei der Wahl ihrer Gestalt in Sphären bewegen, die für einen Menschen auf normaler Seinsstufe nur unzureichend greifbar sind. Kurzum: Die Viecher sehen aus, als hätten die Entwickler von GameFreak Substanzen zu sich genommen, die es nicht beim Supermarkt um die Ecke zu kaufen gibt. Ja richtig, ich bin so eine alte, vertagte Neu-Erwachsene, die der Meinung ist, dass die erste (okay, die 2. auch) Generation der Pokemon die beste war und die beste bleiben wird.

„ Als ich so alt war wie du, gab's nur 151 Pokemon!“, sagte ich eben zum imaginären, 12jährigen Timmy, der gerade dabei ist sein Deponitox aufzuleveln. Und Deponitox ist kein stattliches Dämonen-Pony, welches Gegner bei Gefahr vergiftet, sondern ein wandelnder Müllberg, dessen Finger augenscheinlich Zigarettenstummel sind. Man merkt schon, worauf ich hinaus will: Die Pokemon von früher sind besser. Die Pokemon von früher sehen besser aus und haben bessere Namen. Glurak, Lavados, Raupy, Arktos, Magmar, Onix...
Ja, das sage ich bewusst so, weil mir die innerliche Nostalgie-Oma mit ihrer Gehhilfe jegliche Lust, neues zu akzeptieren, konsequent aus dem Kopf schlägt. Und doch wünsche ich mir, dass es anders wäre. Ich will diesen neuen, hippen Viechern ja eine Chance geben. Aber immer wieder erwische ich mich dabei, wie ich sie mit meinen geliebten Favoriten aus den 90ern vergleiche: „Als ich so alt war wie du....“.

Deponitox

Apropos vergleichen: Allein vom spielerischen her gibt es da gar nicht viel zu vergleichen. Klar, neben einer anderen Welt, kamen in jeder neuen Generation kleinere Neuerungsnichtigkeiten dazu: Wettbewerbe, Gassi gehen, Duellturm, Power-Kekse backen, … . Das Kernkonzept jedoch hat sich nicht verändert: ,,gotta catch'em all & gotta fight'em all“. Aber jenes Kernkonzept beziehungsweise die Nicht-Veränderung dieses Konzeptes sehe ich dabei gar nicht als problematisch an. Denn wie heißt es doch so schön? Never change a winning team! Aber warum ist das so? Warum haben die Pokemon-Games immer noch so ein riesigen Erfolg, obwohl die eigentliche Formel immer die selbe ist? Die Antwort verbirgt sich hinter dem Begriff 'Generation': Mit jeder neuen Generation der Pokemon-Editionen wächst auch eine neue Generation potentieller Anwärter für den Titel „Aller Beste(r)“ heran. Die Kids von heute haben natürlich keine Lust eine blaue oder rote Edition aus den 90ern zu zocken, in denen kleine graue Männchen zwischen Pixelblöcken und abstrakten Darstellungen von Wäldern und Seen umherlaufen. Verständlich. Ich möchte mal einen Schritt weitergehen, indem ich die folgende These wie einen übermächtigen Meisterball schwungvoll in dem Raum schleudere: Die Pokemon-Spiele werden niemals aussterben. Badamm! So lange wie es spielewillige Menschen gibt, wird es auch Pokemon geben. Jedes Kind und jeder nicht ganz so erwachsene Erwachsene leckt sich die Finger nach allem, was sammelbar ist. Und sind es niedliche, digitale Monster, die man nebenbei noch trainieren und gegeneinander kämpfen lassen kann, hat man nicht nur eine weniger brutale Alternative für Hundekämpfe und Schneckenrennen bei der Hand, sondern auch eine echte Goldgrube, die stärker glänzt und schimmert, als das radioaktiv verseuchte Wasser in Fukushima.

Wie eingangs erwähnt, erscheint nun bald PokemonX/Y. Und ja, nach allem, worüber ich mich gerade ausgelassen habe, bin ich wirklich sehr an diesem Spiel interessiert. Nun muss ich aber sagen, dass das nur in zweiter Linie an der schicken 3D-Grafik liegt. So habe ich mich riesig gefreut, als ich vor ein paar Tagen las, dass es in Pokemon X/Y möglich ist, Bisasam, Schiggy oder Glumanda als Starter auszuwählen! Richtig, meine geliebten Helden von damals kehren zurück auf den kleinen Bildschirm und sehen dabei besser aus denn je. Nintendo & liebes Entwicklerteam von GameFreak, das ist wirklich ein feiner Schachzug, den ihr da eingefädelt habt! Einfach die Alt-Pokemontrainer mit so einem simplen Trick anlocken – und hey, es funktioniert! Das ist eine Erkenntnis, die mich zugleich etwas traurig macht. Wo zur Hölle ist eigentlich mein Problem? 

 
So muss ich doch wieder einmal ernüchtert feststellen, dass ich ein Problem mit mir selbst habe. Genauer gesagt habe ich ein Problem mit meiner inkorporierten Retro-Oma, die sich vehement dagegen wehrt, meine süßen Kindheitserinnerungen an jenes tolle GameBoy-Spiel wegzuwerfen, indem ich sie mit Deponitox und Co. entzaubere. Und nicht nur das: was ist, wenn mich das oben erwähnte, immer gleiche Spielkonzept so langweilt, sodass ich gleich die gesamte Reihe auf den Friedhof längst vergessener Spielsünden verbanne? Das wäre wahrlich eine Katastrophe. Also? Die eine (rationale) Möglichkeit wäre nun, nie wieder ein neues Pokemon anzufassen, sodass meine geliebten Erinnerungen in Sicherheit bleiben. Die andere (irrationale) Möglichkeit wäre, dass ich meine bockigen, infantilen Hörner ausfahre und einen Scheiß darauf gebe: „Ich will das aber spielen! Ich will. Ich will. Ich will!“. Weil das Leben langweilig wäre, wenn man nur aus reiner Vernunft heraus agieren würde, ist die zweite Möglichkeit natürlich die bestmögliche Lösung.




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