Vita magnifica
Nun
habe ich sie doch. Sony's tragischer Handheld hat nach langwieriger
Odyssee des Nachdenkens und Abwägens doch ein zu Hause in meinem
Spielzimmer gefunden. Dank PS+ und Planungssicherheit für eine
langfristige Zukunft (soll heißen, ich hab' mir einige Spiele im
Vorfeld in die Downloadliste geworfen), steht mir eine reichlich
ausgestattete Vita-Spielbibliothek zur Verfügung. Ich bin bereit.
Gravity Rush
Ich
muss zugeben, ich wusste nicht was für eine Art Spiel Gravity Rush
ist. Der Name klingt nach einem seichten Plattformer oder nach einem
neumodischen Indie-Metroidvania-Verschnitt, aber nicht nach dem, was
Gravity Rush letztendlich ist. Was ist Gravity Rush eigentlich? Das
ist eine Frage, die ich mir nicht nur innerhalb der gesamten 20
Stunden Spielzeit gestellt habe, sondern das ist auch eine Frage, die
gleichzeitig das Aushängeschild des Spiels der JapanStudios
schmückt: Wenn wir ein Spiel nicht zuordnen können, wenn ein
Konglomerat aus verschiedensten Genre-Spezifika eine eindeutige
Bestimmung unmöglich macht, dann ist ein Spiel doch vor allem eines:
Neu und innovativ.
Oder etwa nicht?
In
den ersten Momenten fühlte ich mich an den Anfang von Remember Me
zurückversetzt. Eine junge Dame erwacht in einer zwielichtigen
Gasse, ohne Erinnerung an ihre Herkunft, an ihren Namen und an die
scheinbar große Stadt, die sich jenseits des Zwielichts auftürmt.
Kat –
so lautet der Name, einer Heldin, die die Fähigkeit besitzt, die
geltenden Gesetze der Schwerkraft ungültig zu machen. Als ,,Shifter"
ist sie mit einer mysteriösen Kraft gesegnet, die der Bevölkerung
zunächst fremd und unheimlich erscheint. Zusammen mit ihrem
wundersamen Begleiter, der Katze Dusty, obliegt es ihr, mittels
Manipulation der Schwerkraft durch die Lüfte (oder in die Abgründe)
der Spielwelt zu fliegen.
Steampunk und eine Brise Industrialismus |
Hekseville
– so lautet der Name einer steampunk-inspirierten Spielwelt, die
die Vita in einer Lebhaftigkeit darstellt, die all meine Kenntnis
über Handhelds ad absurdum führt. ,,Das ist die Zukunft des
portablen Spielens" – dachte ich aussichtsvoll als ich Gravity
Rush als aller erstes Spiel auf meiner neuen Konsole startete, stets
im Hinterkopf behaltend, dass mich ein Uncharted: Golden Abyss oder ein Tearaway in einer wohl noch größeren Intensität
überraschen werden wird. Doch ohne Vergleichserfahrung kann ich
keine Lobeshymne auf potenzielle Darstellungsgewalten vom Zaun
brechen. Hierzu an anderer Stelle mehr.
Wichtiger
ist, Hekseville hat ein Problem: Ganze Stadtteile samt Bewohner sind
scheinbar im Nichts verschwunden, gefährliche Gravitationsstürme
türmen sich drohend im Himmel auf und surreale Monster, sogenannte
Nevi, verängstigen die restliche Bevölkerung der Stadt. Schnell
muss sich Kat ihrer Verantwortung bewusst werden. Sie, ihr Begleiter
Dusty und die Gravitation bilden den verheißungsvollen Trias, der
das Schicksal Heksevilles entscheidend verändern kann. ,,Aus großer
Kraft, folgt ...".
Die
Rahmenhandlung für eine Superhelden-Geschichte scheint geschrieben:
Eine Fremde mit einer übermenschlichen Kraft, ein Sidekick,
Katastrophen und allerlei Probleme. ,,Superheldenspiel" wird
somit das erste Fragment im Werk ,,Gravity Rush" kennzeichnen.
Mit
Hilfe der beiden Schultertaste reguliere ich die Schwerkraft und
bewege Kat locker leicht durch eine offene Spielwelt: So wird die
Geschichte durch Missionen vorangetrieben, die ich gezielt auf der
Karte anpeile. Zwischen den Hauptmissionen kann ich zudem mit den
Bewohnern Heksevilles sprechen, um kleine Nebeninformationen zur
Geschichte zu erfahren; Ich kann Herausforderungen, beispielsweise
Zeitrennen, bestreiten; Ich kann in der gesamten Spielwelt verteilte
Juwelen sammeln, um die Kräfte der Heldin zu verbessern – Das
zweite Fragment zeichnet sich ab: Gravity Rush ist ein
Open-World-Spiel, das sich in erster Linie mit Action-Adventures alá
Infamous vergleichen lässt.
Die
Kämpfe umfassen typische Brawler-Elemente: Mit der Viereck-Taste
führe ich einfache Tritte am Boden aus und erschwere damit das Leben
der Nevi nur ansatzweise. Anspruchsvoller wird es in der Luft: Gegen
fliegende Artgenossen hilft nur eine Kombination aus dem
Gravitations-Shift und gezielten Gravitations-Kicks, die ich mit
Hilfe des rechten Analogsticks erst mühevoll ausloten muss. An
dieser Stelle mogelt sich ein kleiner, aber nicht minder gewichtiger
Kritikpunkt zwischen die Zeilen:
Ich
bin glücklicherweise gegen die schlimmsten Symptome der berüchtigten
Motion Sickness immun. Doch nach längerer Spielzeit hatte ich
oftmals das Gefühl, dass Magen und Hirn meinem Restkörper lebewohl
sagten, um lieber eine Runde mit Kat und Dusty durch die
Gravitationsstürme Heksevilles zu ,,shiften". Soll heißen,
Kat's Kräfte und Kameraführung arbeiten nicht so harmonisch
zusammen, wie es der persönliche Orientierungs- und
Gleichgewichtssinn zur eigenen Selbsterhaltung zu verlangen mag. Geht
es mal schnell oder steht die Welt mal auf dem Kopf, hinkt die Kamera
oftmals hinterher. Und das zeichnet sich, wie bereits oben erwähnt,
besonders in den Kämpfen ab: Nach ca. Einer Stunde Spielzeit geht
mir im Rausch der Schwerkraft die Puste aus, besonders dann, wenn am Ende
eines Kapitels ein Bossgegner wartet, dessen Bezwingung oft eine
krackelige Angelegenheit ist.
Nichtsdestotrotz,
Die nach fortgeschrittener Spieldauer erlernte Spezialfähigkeiten
erleichtern das Kämpfe in der Luft ungemein. Gerade Kats
,,Spiralklaue" konnte mit automatischer Zielausrichtung so
manchen Endkampf entscheidend vereinfachen.
Was
ist Gravity Rush?
Ein Superheldenspiel
und
ein story-getriebenes Action-Adventure
in
einer offenen, steampunk angelehnten Spielwelt
mit
brawler-typischem Kampfsystem,
das
mit dem Gravitiations-Feature ein gewisses Alleinstellungsmerkmal
erhält.
Gravity
Rush ist viel und will dabei vor allem eines sein: innovativ – das
haben wir eingangs schon festgestellt. Ja, es ist innovativ und
letztendlich wiederum nicht, da das wirklich Neue und Unbekannte nur
das letzte der fünf aufgeführten Merkmale umfasst. Am Ende ist
Gravity Rush ein Genre-Mix, der sich an ein unbekanntes Element
gewagt hat, dieses eine Element aber trotz der ein oder anderen Hakelei so
gut ins Spielgeschehen einbindet, dass das Wort ,,Innovation"
ruhigen Gewissens auf die Rückseite des Aushängeschild Gravity
Rushs, der Manipulation der Schwerkraft, geschrieben werden kann.
Top Review! Allein schon, weil es keine "klassische" Wertung gibt. So hat das ganze doch mehr Wert, als ein übliches Review von irgendeinem Online-Mag.
AntwortenLöschenÜbrigens hat Toyama (Silent Hill / Siren Erfinder) als Director an dem Spiel gearbeitet. Von ihm hätte ich nach Silent Hill und Siren nicht unbedingt, so ein Spiel wie Gravity Rush erwartet.
Vielen dank für's Lob ;) Von der klassischen Wertung halte ich als schreibbegeisterte nicht viel, wobei sie widersprüchlicher Weise (auch für mich) oft unverzichtbar für ein Urteil über ein Spiel ist...
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