Freitag, 18. April 2014

Review: Gravity Rush


Vita magnifica

Nun habe ich sie doch. Sony's tragischer Handheld hat nach langwieriger Odyssee des Nachdenkens und Abwägens doch ein zu Hause in meinem Spielzimmer gefunden. Dank PS+ und Planungssicherheit für eine langfristige Zukunft (soll heißen, ich hab' mir einige Spiele im Vorfeld in die Downloadliste geworfen), steht mir eine reichlich ausgestattete Vita-Spielbibliothek zur Verfügung. Ich bin bereit.


Gravity Rush

Ich muss zugeben, ich wusste nicht was für eine Art Spiel Gravity Rush ist. Der Name klingt nach einem seichten Plattformer oder nach einem neumodischen Indie-Metroidvania-Verschnitt, aber nicht nach dem, was Gravity Rush letztendlich ist. Was ist Gravity Rush eigentlich? Das ist eine Frage, die ich mir nicht nur innerhalb der gesamten 20 Stunden Spielzeit gestellt habe, sondern das ist auch eine Frage, die gleichzeitig das Aushängeschild des Spiels der JapanStudios schmückt: Wenn wir ein Spiel nicht zuordnen können, wenn ein Konglomerat aus verschiedensten Genre-Spezifika eine eindeutige Bestimmung unmöglich macht, dann ist ein Spiel doch vor allem eines: Neu und innovativ.
Oder etwa nicht?



In den ersten Momenten fühlte ich mich an den Anfang von Remember Me zurückversetzt. Eine junge Dame erwacht in einer zwielichtigen Gasse, ohne Erinnerung an ihre Herkunft, an ihren Namen und an die scheinbar große Stadt, die sich jenseits des Zwielichts auftürmt.



Kat – so lautet der Name, einer Heldin, die die Fähigkeit besitzt, die geltenden Gesetze der Schwerkraft ungültig zu machen. Als ,,Shifter" ist sie mit einer mysteriösen Kraft gesegnet, die der Bevölkerung zunächst fremd und unheimlich erscheint. Zusammen mit ihrem wundersamen Begleiter, der Katze Dusty, obliegt es ihr, mittels Manipulation der Schwerkraft durch die Lüfte (oder in die Abgründe) der Spielwelt zu fliegen.

Steampunk und eine Brise Industrialismus
Hekseville – so lautet der Name einer steampunk-inspirierten Spielwelt, die die Vita in einer Lebhaftigkeit darstellt, die all meine Kenntnis über Handhelds ad absurdum führt. ,,Das ist die Zukunft des portablen Spielens" – dachte ich aussichtsvoll als ich Gravity Rush als aller erstes Spiel auf meiner neuen Konsole startete, stets im Hinterkopf behaltend, dass mich ein Uncharted: Golden Abyss oder ein Tearaway in einer wohl noch größeren Intensität überraschen werden wird. Doch ohne Vergleichserfahrung kann ich keine Lobeshymne auf potenzielle Darstellungsgewalten vom Zaun brechen. Hierzu an anderer Stelle mehr.

Wichtiger ist, Hekseville hat ein Problem: Ganze Stadtteile samt Bewohner sind scheinbar im Nichts verschwunden, gefährliche Gravitationsstürme türmen sich drohend im Himmel auf und surreale Monster, sogenannte Nevi, verängstigen die restliche Bevölkerung der Stadt. Schnell muss sich Kat ihrer Verantwortung bewusst werden. Sie, ihr Begleiter Dusty und die Gravitation bilden den verheißungsvollen Trias, der das Schicksal Heksevilles entscheidend verändern kann. ,,Aus großer Kraft, folgt ...".

Die Rahmenhandlung für eine Superhelden-Geschichte scheint geschrieben: Eine Fremde mit einer übermenschlichen Kraft, ein Sidekick, Katastrophen und allerlei Probleme. ,,Superheldenspiel" wird somit das erste Fragment im Werk ,,Gravity Rush" kennzeichnen.

Mit Hilfe der beiden Schultertaste reguliere ich die Schwerkraft und bewege Kat locker leicht durch eine offene Spielwelt: So wird die Geschichte durch Missionen vorangetrieben, die ich gezielt auf der Karte anpeile. Zwischen den Hauptmissionen kann ich zudem mit den Bewohnern Heksevilles sprechen, um kleine Nebeninformationen zur Geschichte zu erfahren; Ich kann Herausforderungen, beispielsweise Zeitrennen, bestreiten; Ich kann in der gesamten Spielwelt verteilte Juwelen sammeln, um die Kräfte der Heldin zu verbessern – Das zweite Fragment zeichnet sich ab: Gravity Rush ist ein Open-World-Spiel, das sich in erster Linie mit Action-Adventures alá Infamous vergleichen lässt.



Die Kämpfe umfassen typische Brawler-Elemente: Mit der Viereck-Taste führe ich einfache Tritte am Boden aus und erschwere damit das Leben der Nevi nur ansatzweise. Anspruchsvoller wird es in der Luft: Gegen fliegende Artgenossen hilft nur eine Kombination aus dem Gravitations-Shift und gezielten Gravitations-Kicks, die ich mit Hilfe des rechten Analogsticks erst mühevoll ausloten muss. An dieser Stelle mogelt sich ein kleiner, aber nicht minder gewichtiger Kritikpunkt zwischen die Zeilen:
Ich bin glücklicherweise gegen die schlimmsten Symptome der berüchtigten Motion Sickness immun. Doch nach längerer Spielzeit hatte ich oftmals das Gefühl, dass Magen und Hirn meinem Restkörper lebewohl sagten, um lieber eine Runde mit Kat und Dusty durch die Gravitationsstürme Heksevilles zu ,,shiften". Soll heißen, Kat's Kräfte und Kameraführung arbeiten nicht so harmonisch zusammen, wie es der persönliche Orientierungs- und Gleichgewichtssinn zur eigenen Selbsterhaltung zu verlangen mag. Geht es mal schnell oder steht die Welt mal auf dem Kopf, hinkt die Kamera oftmals hinterher. Und das zeichnet sich, wie bereits oben erwähnt, besonders in den Kämpfen ab: Nach ca. Einer Stunde Spielzeit geht mir im Rausch der Schwerkraft die Puste aus, besonders dann, wenn am Ende eines Kapitels ein Bossgegner wartet, dessen Bezwingung oft eine krackelige Angelegenheit ist. 



Nichtsdestotrotz, Die nach fortgeschrittener Spieldauer erlernte Spezialfähigkeiten erleichtern das Kämpfe in der Luft ungemein. Gerade Kats ,,Spiralklaue" konnte mit automatischer Zielausrichtung so manchen Endkampf entscheidend vereinfachen.



Was ist Gravity Rush?




Ein Superheldenspiel

und ein story-getriebenes Action-Adventure

in einer offenen, steampunk angelehnten Spielwelt

mit brawler-typischem Kampfsystem,

das mit dem Gravitiations-Feature ein gewisses Alleinstellungsmerkmal erhält.




Gravity Rush ist viel und will dabei vor allem eines sein: innovativ – das haben wir eingangs schon festgestellt. Ja, es ist innovativ und letztendlich wiederum nicht, da das wirklich Neue und Unbekannte nur das letzte der fünf aufgeführten Merkmale umfasst. Am Ende ist Gravity Rush ein Genre-Mix, der sich an ein unbekanntes Element gewagt hat, dieses eine Element aber trotz der ein oder anderen Hakelei so gut ins Spielgeschehen einbindet, dass das Wort ,,Innovation" ruhigen Gewissens auf die Rückseite des Aushängeschild Gravity Rushs, der Manipulation der Schwerkraft, geschrieben werden kann.

2 Kommentare:

  1. Top Review! Allein schon, weil es keine "klassische" Wertung gibt. So hat das ganze doch mehr Wert, als ein übliches Review von irgendeinem Online-Mag.

    Übrigens hat Toyama (Silent Hill / Siren Erfinder) als Director an dem Spiel gearbeitet. Von ihm hätte ich nach Silent Hill und Siren nicht unbedingt, so ein Spiel wie Gravity Rush erwartet.

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    1. Vielen dank für's Lob ;) Von der klassischen Wertung halte ich als schreibbegeisterte nicht viel, wobei sie widersprüchlicher Weise (auch für mich) oft unverzichtbar für ein Urteil über ein Spiel ist...

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